Identitätssuche im lateinamerikanischen essay

Páginas: 20 (4772 palabras) Publicado: 15 de octubre de 2009
1. Einleitung

Nach lateinamerikanischem Verständnis soll Literatur nicht über, sondern vielmehr für den Menschen geschrieben werden. Sie soll als Hilfestellung, ja sogar als Wegweiser und Orientierungshilfe bei der Beantwortung essentieller Fragen dienen. Unter diesem Gesichtspunkt ist es nicht verwunderlich, dass sich der Essay, der in seinem Wesen eine geistreiche Auseinandersetzung desjeweiligen Autors mit wissenschaftlichen, gesellschaftlichen oder kulturellen Phänomenen darstellt, im Laufe des 20. Jahrhunderts zu einer genuinen literarischen Gattung von zentraler Bedeutung für ganz Lateinamerika entwickelt hat, welche weder an ästhetischer Vielfältigkeit noch an gesellschaftspolitischer Wirksamkeit von einer anderen literarischen Form übertroffen werden konnte. Diese spezielleEntwicklung basiert auf der Suche und letztendlichen Ausprägung einer gemeinsamen amerikanischen Identität, der sogenannten americanidad, beziehungsweise dem americanismo, welche am Ende des 19. Jahrhunderts ihren Anfang nimmt. So ist es „ein wichtiges Merkmal der lateinamerikanischen Literatur dieses Jahrhunderts, daß sie das für die modernen Literatur überhaupt zentrale Thema der gefährdetenIdentität des individuellen Subjekts mit der – weniger modern anmutenden – Frage nach ihrer Verankerung in den kollektiven Identitätsvorstellungen des Volkes, der Nation oder des durch sein gemeinsames historisches Schicksal verbundenen Kontinents knüpft.“[1] Der einfachste Grund hierfür ist sicher in der gemeinsamen Historie kolonialer Unterdrückung und der Marginalisierung der eigenen indigenenKulturen zu finden. Die Grundfrage, ob und wie man sich nun von dieser, durch die Kolonisation vermittelten, europäisch geprägten Kultur zu lösen vermag wird in der lateinamerikanischen Essayistik ausgiebig diskutiert.

Ziel dieser Arbeit ist es, dem Wesen des lateinamerikanischen Essays näher zu kommen, indem seine historische Entwicklung, bedeutsamsten Strömungen, einflussreichsten Verfasser undHauptwerke, mit Fokussierung auf die unterschiedlichen Aspekte lateinamerikanischer Identitätsfindung hin analysiert werden.

2. Der Essay in Lateinamerika als literaturwissenschaftlicher Forschungsgegenstand

Die herausragende Bedeutung des Essays in Lateinamerika ist heute allseits anerkannt, wenn auch die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Genre relativ spät einsetze, rechtzögerlich verlief und bis zu heute noch immer kein einheitliches Bild gezeichnet werden kann. Man vermag zumindest zu sagen, dass der Essay als literaturwissenschaftlicher Forschungsgegenstand seit etwa dem Beginn des 20. Jahrhunderts präsent ist. Sabine Horl nimmt etwa in ihrem Aufsatz „Der lateinamerikanische Essay im 20. Jahrhundert“ eine Einteilung der lateinamerikanischen Essayistik in vierPhasen vor. Die jeweiligen Phasen sollen gewisse ideologische Tendenzen der Schriftsteller, ebenso wie inhaltliche Kriterien und die jeweiligen Perspektiven der Forscher und Essayinterpreten erkennen lassen. Sie weist darauf hin, dass es „den Essay nicht gibt, nur Essays, aus deren Gesamtheit sich bestimmte Normen bzw. eine immer wieder zu revidierende vorläufige ˛Definition̕ erstellen lässt, […]die den Essay als ˛fruto típico de la cultura hispánica̕ betrachten und sich auf dieser Ebene mit ihm auseinandersetzen“.[2]

Die erste Anthologie ist allem Anschein nach das Werk Prosistas uruguayos contemporáneos von 1910 und leitet somit die Essayistik Lateinamerikas ein. 1917 wird in einigen Werken, etwa von Blanco Fombona und Andrés González Blanco, die Bedeutung der Essayisten für dieliterarische und politische Entwicklung Lateinamerikas hervorgehoben. Auch wenn diese Werke noch in Madrid herausgegeben werden, deuten sie doch die Entwicklung eines lateinamerikanischen Selbstbewusstseins und einer Selbstauseinandersetzung an. Die zweite Phase der Essayistik dauert laut Horl von 1937 bis 1945, beginnend mit Juan J. Remos Sammelband Micrófono in dem...
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