Poesia

Übersetzung Deutsch-Spanisch II
Sommersemester 2012
Dr. A. Pauly


Exil

Das Exil ist ein Schicksal, wie es trauriger kaum denkbar ist. In vormodernen Zeiten gehörte es zu denbesonders harten Strafen, da das Leben in der Verbannung nicht nur Jahre des ziellosen Umherirrens fern der Familie und der Umgebung bedeutete, sondern auch, als ein ewig Ausgestoßener sich niemals zuHause zu fühlen, ständig mit seiner Umgebung im Zwist zu liegen, untröstlich über die Vergangenheit, voller Verbitterung angesichts der Gegenwart und Zukunft. Seit jeher wird die Vorstellung derVerbannung mit den Schrecken der Lepra, der sozialen und moralischen Unberührbarkeit, in Verbindung gebracht. Im 20. Jahrhundert hat sich jedoch das Exil aus einer besonderen Strafe, die in Einzelfällenverhängt wurde – wie etwa im Fall des großen lateinischen Dichters Ovid, der aus Rom verbannt wurde –, zu einer grausamen Strafe für ganze Gemeinschaften und Völker verwandelt, oft als unerwartete Folgeüberpersönlicher Mächte wie Krieg, Hungersnöte und Seuchen. [...]. Es gibt die weit verbreitete, aber völlig unzutreffende Annahme, das Leben im Exil bedeute, vollständig von der eigenen Herkunftabgeschnitten und hoffnungslos isoliert zu sein. Wenn die Trennung doch nur so klar wäre, dann gäbe es zumindest den Trost, dass alles, was man hinter sich gelassen hat, unwiederbringlich verloren ist. InWirklichkeit besteht für die meisten Exilanten das Problem nicht einfach darin, fern der Heimat leben zu müssen, sondern durch die heutigen Lebensverhältnisse unablässig daran erinnert zu werden, dass[...] die Heimat in Wirklichkeit gar nicht so weit entfernt ist. Der inzwischen selbstverständlich gewordene weltweite Verkehr stellt einen ständigen Kontakt zu den alten Orten her. Der Exilierte lebtdaher in einem Übergangszustand, weder wirklich angekommen in der neuen Welt, noch völlig abgelöst von der alten, halb beteiligt und halb distanziert, nostalgisch und sentimental auf der einen...